Jetzt wird wieder abgeschrieben, was die sozialen Medien hergeben, es gilt: das gesprochene Wort von Elon Musks PR-Spezialisten in seiner Hirn-Implantatfirma Neuralink. Auf der Blog-Seite des Unternehmens, auf der Neuralink inzwischen Updates der „Prime Study“ liefert, ist in dem jüngsten Eintrag vom 8. Mai ein „Erfahrungsbericht“ der Neuralink-Experten sowie des des ersten Patienten, hundert Tage nach der OP in einer Klinik in Phoenix, Arizona zu lesen.
Gespickt mit einigen euphorisierten Zitaten des vollständig gelähmten Patienten Noland Arbaugh, der sich darüber freut, dass er wieder Dinge tun kann „zu denen ich in den letzten acht Jahren nicht mehr imstande war“, wird über die Fortschritte nach der Einpflanzung des Neuralink-Hirnchips berichtet: dass er inzwischen im Bett liegend und allein durch Gedankensteuerung mit seinen Freunden Schach, Mario Kart und das Computerspiel Civilization IV spielen könne; dass er per Gedankenübertragung an den Computer seine Kumpels sogar schlagen kann in Spielen, die eben wie bei Mario Kart große Geschicklichkeit im Umgang mit einem Joystick verlangen.
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Ein Weltrekord der Hirnsteuerung?
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Die „Verbindung“ durch den Neuralink ermögliche eine Feinsteuerung der Cursorbewegung durch die Auswertung der Hirnströme, so kommentieren die Neuralink-Blogautoren, die das Bedienen kleinster Symbole und Buttons ermögliche. Beim Standardmaß bei der Messung von Geschwindigkeit und Genauigkeit der Cursor-Kontrolle – Bits pro Sekunde (BPS) habe Arbaugh einen Weltrekord geschafft: Mit 4,6 BPS habe noch kein mit Mensch-Maschine-Interface ausgestatteter Patient bisher agieren können. Anschließend erreichte er sogar noch 8 BPS, und gegenwärtig versuche Arbaugh ungefähr 10 BPS zu schaffen.
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Was aber auf der im Tagesprotokoll dargestellten Grafik auch zu sehen ist: Es gab einige Tage, an denen der Patient schwächer agierte oder nichts ging. Im letzten Absatz des Erfahrungsberichts heißt es dazu: „In den ersten Wochen nach der Operation haben sich einige Elektroden im Gehirn gelockert“, worunter die Genauigkeit der Übertragung und die „Effektivität“ – vorübergehend – gelitten habe. Die Lösung: Der Algorithmus, der die Hirnsignale aus den Aberhunderten feinster Elektroden auswertet, sei angepasst worden. Und schwups waren die Anfangsprobleme gelöst: „Diese Anpassung hat eine schnelle und anhaltende Verbesserung der BPS zur Folge“, eine, die die Leistung des Hirnchips sogar nochmal gesteigert habe.
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Sollte diese grobe und unvollständige Beschreibung des neurotechnischen Vorgangs tatsächlich der Versuch sein, die Genialität der Neuralink-Hirnchip-Operateure öffentlichkeitswirksam zu reklamieren, dann ist das PR-Manöver offenbar wieder einmal gelungen. Öffentlichkeit hat das Experiment nachhaltig erreicht. Dem faszinierten Publikum wird eine Erzählung hingeworfen, die weder nachprüfbar ist, noch von unabhängiger Seite evaluiert wird. Jedenfalls fehlen bis heute entsprechende Ankündigungen von Neuralink. Wie in der Faustschen Sagenwelt agiert das Unternehmen in einer Wagnerschen Experimentalkammer mehr oder weniger ungestört und ungeprüft, um etwas zu erschaffen, das alles Menschenmögliche bis dahin in den Schatten stellt. Offenheit wird vorgegaukelt, die wissenschaftlichen Maßstäbe in den Hintergrund gerückt.
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Was in der Neurotechnik wirklich möglich und wahrhaftig ist, lässt sich mit dem nachhaltig intransparenten Wissenschaftsverständnis von Musks Gehirnchipfirma nicht ermitteln.
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Warum also nicht einfach warten, bis nachprüfbare Berichte und Protokolle vorliegen? Und damit auch solange den Mantel des Schweigens darüber halten, wie bei allen anderen anspruchsvollen – potentiell disruptiven – experimentellen Projekten, die dem interessierten Publikum nur wirklich dann etwas bringen, wenn der Fortschritt empirisch nachvollziehbar und wiederholbar ist.
2024-05-09 08:46:32
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